Get Lazy – Mit Flüchtlingen gegen den Fachkräftemangel im Textilsektor
„In einer Welt, die sich scheinbar immer schneller zu drehen scheint, sind Phasen der Regeneration mehr als wichtig“, findet Fabian Krüger. Motiviert von diesem Credo gründete der 29-jährige Ingenieur parallel zu seiner Arbeit beim Automobilkonzern Daimler Ende 2013 das Modelabel Get Lazy. Die Einhaltung hoher ökologischer und sozialer Standards war und ist dabei für ihn so selbstverständlich, dass er sie oft nur noch im Nebensatz erwähnt.
Get Lazy hat seine Produktion kürzlich radikal umgestellt: »Made in Germany« titelt der Einnäher nun. Da diese Neuerung den Labelgründer vor große Probleme bei der Suche nach qualifizierten Nähern stellte, verspricht das Etikett noch eine weitere Besonderheit: »Made by refugees«.
Mehr Transparenz durch Produktion in Deutschland
Get Lazy arbeitete anfangs mit Fabrikanten in Indien und Mauritius zusammen. Doch es gab Komplikationen. „Trotz persönlichen Besuchen konnte ich meine Standards in Sachen Umweltfreundlichkeit und Fairness nicht sicherstellen“, berichtet Fabian Krüger. Auch die Individualisierbarkeit der Kleidung durch den Kunden – ein fester Bestandteil im Konzept von Get Lazy – litt unter der Zusammenarbeit.
Fabian Krüger sah nur eine Lösung, um die Herstellung seiner Kleidung vollständig transparent gestalten zu können: Die Produktion muss in Deutschland erfolgen.
Ausweg aus dem Fachkräftemangel: Flüchtlinge
Doch die Textilverarbeitung ist hierzulande ein ausgestorbenes Handwerk. Das musste Fabian Krüger bei der Suche nach einem Produktionspartner in Deutschland schnell feststellen. Durch Zufall begegnete er Elke Burmeister: Als Modedesignerin stand die 49-Jährige mit ihrer „Schneidermeisterei“ in Passau lange vor dem gleichen Problem wie Get Lazy. Im Angesicht der unzähligen Flüchtlinge, die in den vergangenen Monaten über die deutsche Grenze kamen, machte sie aus der Not eine Tugend: „Ich dachte mir, da muss doch jemand dabei sein, der nähen kann.“
Integration durch Wertschätzung
Es war jemand dabei. Ahmed* ist 40 Jahre alt; in seiner Heimat Syrien war er als Vorarbeiter in einem Textilbetrieb verantwortlich für 20 Mitarbeiter. 2015 kam er nach Deutschland; hier möchte er sein Handwerk weiter ausüben und anderen damit eine Freude machen.
Das kann er nun: Seit Beginn des Jahres näht Ahmed für Elke Burmeisters Schneidermeisterei – und jetzt auch für Get Lazy. Fabian Krüger bezeichnet es als Triple-Win-Situation: Das Label kann in Deutschland produzieren, unter fairen Bedingungen, zu fairen Verkaufspreisen und in kleinstmöglicher Stückzahl; eben so, wie Fabian Krüger es aus der Automobilbranche kennt. Ahmed hat eine sinnvolle Tätigkeit, die seinem derzeitigen Alltag zwischen Flüchtlingsheim und Ämtern Struktur verleiht und für die er gewertschätzt wird. Gleichzeitig wird er in unsere Gesellschaft integriert; er spricht sogar schon Bayerisch.
Bürokratie vs. Integration
Elke Burmeister musste einige Überzeugungsarbeit bei den Behörden leisten, damit sie Ahmed einstellen durfte. Und es stehen noch Hürden bevor: Ahmed hat bislang keine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung, er wird lediglich „geduldet“ – obwohl er ins deutsche Steuersystem einzahlt. Damit bleibt ihm unter anderem die Zulassung zur Handwerksprüfung verwehrt. „Ich möchte in Deutschland leben und arbeiten. Aber die Bürokratie macht die Integration sehr schwer“, sagt Ahmed selbst.
Crowdfunding startet am 26. September
Fabian Krüger ist fasziniert von Ahmeds Willenskraft: „Er liebt und lebt seinen Beruf. Diese Leidenschaft spürt man in der Kleidung.“ Für Get Lazy hat Ahmed inzwischen Muster angefertigt; im September startet die Produktion. Fabian Krüger und Elke Burmeister sind bereit, dann weitere Flüchtlinge einzustellen. Die Warteliste motivierter Näher ist lang – nun braucht das Projekt nur noch gebündelte Unterstützerkraft. Nachdem Get Lazy auf der Fashion Week im Juni sehr viel positive Resonanz bekam, startet das Label am 26. September eine Crowdfunding-Kampagne auf Kickstarter. Unterstützer können so Teil einer wertvollen Integrationsbewegung werden, die Flüchtlingen neue Chancen eröffnet und eine intelligente Lösung für den vorherrschenden Fachkräftemangel in der deutschen Wirtschaft findet.
*Name anonymisiert
Zum Crowdfunding geht es hier: Crowdfunding: Kickstarter Projekt Get Lazy