Für uns interessant ist natürlich immer wer hinter dem Start up steckt. Daher kurz etwas zu dir: Wer bist du und was hast du vor der Gründung gemacht?
Ich bin Caroline, 28 Jahre alt, und Mit-Gründerin von YOU++ (www.youplusplus.club), einer Programmierplattform für Kinder. Seit meinem Masterbeginn 2014 arbeiten mein holländischer Co-Founder Tim und ich bereits hartnäckig an dem Plan, Kinder die Welt des Programmierens näherzubringen. Anfang 2016 haben wir nach einem erfolgreichen Testlauf in Schweden dann den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt und in Holland gegründet. Parallel versuchen wir uns jetzt auch auf dem deutschen Markt. Zum Gründen kam ich vor allem durch mein Entrepreneurship-Studium in Schweden. Zuvor war ich einige Zeit auf Reisen, machte verschiedene Praktika und absolvierte meinen Bachelor in International Management in Deutschland und Spanien.
Bist du allein oder im Team?
Wir sind ein Zweier-Gespann mit unterschiedlichen Backgrounds und Fähigkeiten. Zum einen mein holländischer Partner, Tim, der das technische Know-How und Erfahrung im eCommerce mitbringt; und zum anderen meine Wenigkeit. Ich bin für den kreativen Inhalt und die Aufmachung des Produktes zuständig und kümmere mich daher verstärkt auch um das Design der Kurselemente und die UI. Bisweilen klappt es ganz gut zu zweit, obwohl man sich natürlich hier und da weitere helfende Hände wünscht, besonders im Bereich Sales. Aber wir werden gut von Freunden und der Familie unterstützt, sodass wir bisher auch im kleinen Team große Fortschritte gemacht haben.
Wie heißt dein Start Up und welche Start Up Idee steckt dahinter? Was ist das Geschäftsmodell?
Unser Startup heißt YOU++ und ist eine Programmierlernplattform für Kinder von 9 bis 14 Jahren. Auf unserer Plattform bieten wir Programmierkurse an, mit denen Kinder Schritt-für-Schritt und spielerisch lernen können, wie man Bilder, interaktive Quizze und sogar kleine Spiele programmiert. Wir bieten die Kurse sowohl für zuhause als auch für den Unterricht in der Schule an. Aber auch außerhalb der Kurse können unsere User ihr kreatives Talent im freien Programmieren unter Beweis stellen. Mit unserer einfachen Programmierumgebung basierend auf Processing, eine sehr grafische Programmiersprache, lernen Kinder, wie man echten Code liest und schreibt! Um sich einen Überblick zu verschaffen und erste, kleinere Projekte zu programmieren, können Kinder bereits auf einen kleinen Teil der YOU++ Plattform frei zugreifen. Die Free Version wird durch eine Pro Version für einmalige € 9,- ergänzt, die den Zugriff auf das vollständige Lernmaterial und die kindgerechten Kurse ermöglicht.
Unser Ziel ist es, Kindern, Eltern und Lehrern zu zeigen, wie wichtig es heutzutage ist, unsere jungen Generationen auf einen fast vollständig digitalisierten Alltag und digitalisierte Arbeitswelt vorzubereiten. Dabei ist es wichtig, die uns zur Verfügung stehende Technologie nicht nur zu gebrauchen, sondern auch in ihren Grundzügen zu verstehen. Programmieren hilft dabei, macht Spaß und eröffnet den Kindern endlose Möglichkeiten, eigene Ideen umzusetzen und sich auszuprobieren.
Zum Thema Start up Idee finden: Wie ist deine Start Up Idee entstanden? Welche Geschichte steckt hinter deiner Geschäftsidee?
Die Idee zu YOU++ entstand im Masterstudium. Ich habe mich damals für den Entrepreneurship-Master an der Lund University entschieden, um in einem gründerfreundlichen Umfeld zu studieren, das mir vor allem Freiraum lässt, eigene Ideen zu verfolgen und auszuprobieren.
Natürlich hatte ich schon vorab Ideen, aber die richtige Gründungsidee kam erst im Austausch mit Tim. Wir wollten unbedingt in eine Richtung, die Technologie und Bildung für Kinder vereint, und entschieden uns schon nach kurzer Zeit, eine Plattform namens YOU++ zu entwickeln, auf der Kinder programmieren lernen können. Wir waren uns bereits damals einig: Am liebsten würden wir das Thema Programmieren flächendeckend in den Schule sehen – nicht als eigenständiges Fach, aber als festgeschriebenen Block im Informatik- oder Matheunterricht beispielsweise. Nur so können wir auch gewährleisten, dass alle Kinder wenigstens einmal damit in Berührung kommen und für sich sehen, ob es gefällt oder nicht. Ich sehe hier großes Potential, um dem teils noch negativen Stigma, dass Programmieren langweilig oder zu schwer sei, entgegenzuhalten.
Obwohl Programmieren für mich völlig neu war, bin ich davon überzeugt, dass die Fähigkeit zu programmieren und, – wenn nicht sogar noch mehr – der Prozess des Lernens sehr wertvoll für Kinder sein kann. Programmieren vereint logisches und abstraktes Denken, und ermöglicht es, eigenständig etwas zu kreieren und mit vielen anderen zu teilen. Leider habe ich damals den Computer nur als ein Werkzeug vorgestellt bekommen, das Emails verschickt und Excel-Kalkulationen vornimmt. Hätte mir jemand schon in der Schulzeit gezeigt, was man mit einem Computer und Programmierkenntnissen machen kann, wäre ich vielleicht heute ein richtiges Programmier-Ass! Dasselbe sagt auch Tim. Tim hat erst mit Anfang 20 während seines Bachelorstudiums und eines Praktikums Programmieren gelernt, und war sofort begeistert von seinen neuen Möglichkeiten. Er hat sich seitdem zu einem richtigen Profi entwickelt und lernt stetig dazu. Und auch ich bin froh, jetzt ein paar HTML und CSS Befehle anwenden zu können. Es ist einfach ein großartiges Gefühl, digital mitgestalten zu können.
Was macht dein Startup einzigartig und was machst du zu bisherigen Konkurrenten/ bisherigen Lösungen anders/ besser?
Natürlich finden wir alle Tools super, durch die Kinder programmieren können – ob nun Online-Plattform, Apps, Bücher, Sommercamps oder Events. Jedoch waren wir bei der ersten Recherche über die vielen englischsprachigen und die wenigen anderssprachigen Angebote überrascht. Mittlerweile gibt es zwar von einigen der Anbieter auch deutsche Versionen ihrer Programmiertools, aber dennoch glauben wir hier den Markt mit YOU++ zu ergänzen. Zudem zielen viele Programmierlerntools entweder auf sehr junge Kinder ab, die sich durch das einfache Verschieben von Code-Blöcken an die Logik des Programmierens herantasten, oder auf Jugendliche, die dann sofort mit teils sehr anspruchsvollen Code beginnen. Dazwischen gibt es wenig. Hier sahen wir Potenzial und haben kindgerechte Inhalte mit einfachen, aber echtem Code-Schreiben verbunden.
Mit dem Ziel, neben den Wohnzimmern auch die Klassenräume zu erobern, haben wir bei der YOU++ Plattform darauf Wert gelegt, dass sie auch in der Schule zum Einsatz kommen kann. Dazu mussten wir natürlich erst einmal mit Lehrern sprechen. Wir begriffen schnell, das ein allgemeines Bewusstsein und Interesse für Programmieren in der Schule besteht, jedoch scheiterte ein Programmiervorhaben im Klassenraum meist an drei Hürden: 1) Der vollgestopfte Lehrplan, der kaum Zeit für Neues lässt, 2) Fehlende Programmierkenntnisse der Lehrer, und 3) die fehlende Kenntnis über Programmiertools, die für die Schule geeignet sind. Hier wollten wir ansetzen. Unsere Kurse vermitteln daher nicht nur Programmierkenntnisse, sondern sind auch immer an ein Thema aus dem Kernfach Mathe – wie beispielsweise Geometrie oder Koordinatensystem – gekoppelt. Wenn Lehrer ein oder zwei Papieraufgaben gegen unsere Kursinhalte tauschen, können sie bereits im Matheunterricht kleine Lektionen Programmieren einführen, ohne dabei dem Lehrplan hinterherzuhinken. Zudem haben wir die Plattform so konzipiert, dass auch Lehrer keinerlei Vorkenntnisse benötigen. Alles wird Schritt-für-Schritt während der Onlinekurses für die Schüler erklärt, und falls doch Unsicherheiten bestehen, können sich Lehrer im Vorfeld eine Reihe von Unterrichtsmaterialien (z.B. Tutorials, ein Übungsskript mit normalen Papieraufgaben, Präsentationen, Lösungsbuch etc.) downloaden. Die Materialien sind derzeit auf Englisch verfügbar – wir arbeiten aber gerade hart an einer deutschen Version.
Habt ihr aktuell noch einen Kapitalbedarf? Sucht Ihr nach Investoren? Wenn ja, welche Wünsche hättet ihr dabei?
Kapitalbedarf besteht natürlich immer – ob nun für Marketing oder ein weiteres Programmiertalent im YOU++ Team. Derzeit jedoch forcieren wir dieses Thema gerade nicht. Wir möchten jetzt gerne erst gute Referenzzahlen im deutschen Markt sammeln, um mit wiederkehrenden und zufriedenen YOU++ Usern zu punkten.
Das wichtigste eines Unternehmens ist Kundengewinnung. Wie gewinnst du Kunden? Wie machst du Akquise? Wie betreibst du Kundenbindung?
Anfänglich mussten wir das Konzept und die YOU++ Inhalte ja erst einmal testen, und das taten wir mit hochmotivierten Lehrern und Schülern, sowie in nachmittaglichen CoderDojos (regelmäßig stattfindende Coding-Workshops) mit Kindern und Eltern. So haben wir nicht nur wertvolles Feedback, sondern auch richtige Kunden und Bewerber unserer Plattform erhalten. In der Anfangsphase haben wir viel offline gemacht: Wir haben Start-Up Events, Schulmessen und Lehrerkonferenzen besucht und im persönlichen Austausch die Plattform weiterentwickelt. Für das Feedback unserer Helfer gab’s dann natürlich kostenlose YOU++ Lizenzen und spezielle Rabatte. Wir haben auch ein Ambassadorprogramm gestartet. Lokale Unternehmen können dabei die YOU++ Lizenzen für Schulen teilweise subventionieren und so auch Schulen mit kleinerem Budget helfen, mit YOU++ zu programmieren. Wir haben schnell gemerkt: Mundpropaganda ist unheimlich wichtig für uns. Lehrer tauschen sich nun mal im Lehrerzimmer aus, und Eltern erzählen gerne mal, dass ihre Kleinen jetzt auch schon programmieren. Das ist natürlich schön für uns! Schnell wurden dann auch die Lokalmedien auf uns aufmerksam, und begleiteten uns sogar mit in die Schule, um sich selber ein Bild von der Plattform zu machen. Nun wollen wir natürlich verstärkt auf Online Marketing setzen. Mit gutem SEM und SEO, eigenen Blog-Inhalten, eigenem Video, Google und Facebook Ads versuchen wir nun einen breiteren Kundenstamm zu generieren, und bleiben aber natürlich weiterhin auf der Suche nach Influencern in der Lehrer-Community.
Gerade am Anfang ist Marketing für Startups besonders wichtig, aber bei begrenztem Budget gleichzeitig auch schwierig. Wie sieht dein Startup-Marketing aus? Welche Ka
äle benutzt du?
Ja das stimmt wohl. Auch wir meckern über ein geringes Marketing-Budget. Aber in Zeiten des viralen Marketings, erhoffen wir uns, die sozialen Netzwerke so gut wie es eben geht auszunutzen. Denn auch hier kommt man ohne Budget nicht mehr sehr weit, um eine gewisse Masse zu erreichen. Wir werden einen Mix aus Facebook und Google Ads probieren und versuchen uns in den Medien zu positionieren, die tech-versierte Eltern und Lehrer lesen. Regelmäßige Newsletter-Kampagnen und Schulbesuche stehen auch im nächsten Schulhalbjahr auf unserem Plan.
Wo steht dein Startup jetzt und was sind deine Ziele für die nächsten 12 Monate? Wo willst du hin? Was sind für dich wichtige Kennzahlen?
Wir haben einen guten Start hingelegt, müssen uns nun aber auf die Skalierung konzentrieren, um langfristig höhere Userzahlen zu generieren. Die Zahlen bisher sind vielversprechend. Mehr als 70% der User sind wiederkehrend und bleiben mit durchschnittlich 25 Minuten auch relativ lange auf unserer Plattform. Das freut und bestärkt uns natürlich. Diese Zahlen möchten wir natürlich so gut es geht beibehalten. Für das kommende Quartal möchten wir aber vor allem unsere Visitor und Sign-Up-Zahlen in Deutschland durch gezieltere Kampagnen anheben. Weitere Inhalte und Kurse mit neuen Themen sollen folgen.
Alle Leser und ich freuen sich zum Schluss über deine wichtigsten Tipps für Startups:
Das Team ist extrem wichtig – und dies sowohl auf persönlicher als auch auf professioneller Ebene. Vor allem, wenn man das Wagnis in die Selbstständigkeit eingeht. Ich glaube, es nutzt nichts, wenn du den besten Programmierer hast, mit dem du dich nicht verstehst und an einem Strang ziehen kannst. Und es nutzt auch nichts, wenn du deine beste Freundin ins Boot holst, die dich nicht in irgendeiner Weise professionell
bereichern kann. Wenn das Team nur sehr klein ist, sollte sich schon jeder durch sein spezielles Know-How oder Talent auszeichnen.
Meilensteine setzen und auch mal den vorgemerkten Weg verlassen. Wir haben zum Beispiel schnell eingesehen, dass wir von unserem anfänglich alleinigen Fokus nur auf Schulen abweichen müssen. Die Verkaufsverhandlungen gestalteten sich zu langwidrig. Auf Grund des klammen Budgets und riesigen bürokratischen Aufwendungen konnten wir unsere Meilensteine so nicht erfüllen. Daher legen wir nun den Fokus auch auf die Eltern, die wesentlich schneller entscheiden können, ob YOU++ etwas für ihr Kind ist.
Priorisieren lernen und sich nicht im Detail verlieren. Gerade am Anfang möchte man am besten so viele Dinge wie möglich gleichzeitig und schnell erledigen. Dabei kann man sich ganz schön verzetteln. Wir mussten im Laufe unserer Zusammenarbeit lernen, gewisse Sachen zu priorisieren und andere hinten anzustellen. Brecht euren großen Meilenstein in kleine Ziele auf, und versucht dann – wenn es die Zeit und die Aufgabenflut zulässt -, eure kleinen Erfolge auch zu feiern. So tankt ihr Motivation für die weiteren, noch kommenden gefühlten 100 Meilensteine und verliert das Wesentliche nicht aus den Augen.